Wilhelm Brunck wurde 1878 in Bromberg, Posen geboren, wo sein Vater ein erstes Elektrizitätswerk aufgebaut hatte. Schon als junger Arzt machte Dr. Wilhelm Brunck sich in Berlin in der gerade von der Chirurgie abgetrennten Hals-Nasen-Ohren Heilkunde einen Namen. Er eröffnete seine erste eigene Praxis auf der Kantstraße, zog Anfang der 1920er mit Praxis und privater Wohnung „um die Ecke“ in ein herrschaftliches Gebäude am Savignyplatz Nr. 9-10. Eine Aufnahme von 1926 zeigt Dr. Brunck stolz vor der Eingangstür anlässlich der Einschulung seines Sohnes Hans-Jürgen, sein Praxisschild prominent im Hintergrund.
Diese Wohnung Am Savignyplatz richtete Dr. Brunck über die kommenden Jahre nach zeitgemäßem Geschmack mit Käufen in den führenden Galerien und Auktionshäusern ein. So kaufte er u.a. in der berühmten „Russenauktion“ bei Rudolph Lepke, in der am 6. November 1928 Kunst und Antiquitäten aus den St. Petersburger Schlössern und Museen versteigert wurden (Louis XIII Ebenholzkabinett). Im gleichen Jahr ersteigerte Dr. Brunck einige der Spitzenlose in der Auktion des Fideikommisses der Prinzen Reuss aus Schloss Trebschen (Auktionshaus Leo Grünpeter, Berlin, 23.-24.4.1928). So z.B. ein Porträt Kaiser Wilhelms II. von Heinrich von Angeli sowie einen Friesischen Hallenschrank, der vermutlich 1876 als Hochzeitsgeschenk vom Niederländischen König Wilhelm III. (1817-1890) an Prinz Heinrich VII. Reuss (1825-1906) gelangte.
Als 1943 in Berlin die ersten großen Bombardements begannen, ließ Dr. Brunck vorsichtshalber die wichtigsten Räume seiner Wohnung und Praxis von einem Fotografen aufnehmen. Dr. Brunck gelang es aber kurz darauf doch noch im letzten Moment seine Familie, Mobiliar und Kunst nach Süddeutschland transportieren zu lassen. Er selber starb noch 1944, seine Frau und Sohn landeten später in Schleswig-Holstein, wo die Sammlung bis zuletzt im Familienbesitz blieb. Die Aufnahmen von 1943 blieben in einem kleinen Fotoalbum erhalten, annotiert von Wilhelm Bruncks Sohn, Prof. Dr. Hans-Jürgen Brunck (1920-2019). Auf diesen Fotos können fast alle der bis heute in der Familie erhaltenen Möbel, Skulpturen, Gemälde und Graphiken identifiziert werden.
Eine der ersten Aufnahmen aus dem „Herrenzimmer“ zeigt über einem niedrigen Bücherregal ein enormes Gemälde, das leider nach Familienangaben zu groß für den Transport war und im Krieg verloren ging. Nur die untere Hälfte ist im Foto sichtbar, es scheint sich aber um Jacob Jordaens berühmtes Gemälde „Satyr beim Bauern“ zu handeln, von dem weitere Versionen in der Gemäldesammlung im Schloss Wilhelmshöhe in Kassel sowie der Dulwich Picture Gallery in London erhalten sind.
Andere Aufnahmen zeigen die prachtvollen Renaissance- und Barockmöbel, die vormals in St. Petersburger Schlössern, bzw. Residenzen der Prinzen Reuss standen, in Kombination mit „zeitgenössischer Kunst“ der 1920er, u.a. von August Kraus (1868- 1934), Max Klinger (1857-1920), Franz von Stuck (1863-1928) und Wilhelm Kuhnert (1865-1926).
Alle Objekte dieser Sammlung sind durch die Nummer (60991) gekennzeichnet (rot im gedruckten Katalog).
Nach fast einem Jahrhundert kehrt ein außergewöhnliches Ebenholzkabinett mit einer bewegten und nicht immer lückenlos nachvollziehbaren Geschichte nach Berlin zurück. Dieses bedeutende Möbelstück wurde am 6. November 1928 in der 2000. Auktion des renommierten Auktionshauses Rudolph Lepke versteigert. Die Auktion umfasste zahlreiche herausragende Antiquitäten, Gemälde und Kunstwerke, die im Namen der neuen Machthaber Russlands angeboten wurden.
Im Vorwort des Katalogs zur Auktion verwies der damals hochgeschätzte Kunsthistoriker Otto von Falke darauf, dass die verzeichneten Kunstgegenstände durchweg aus den Beständen der Leningrader Museen und Schlösser stammten. Die genaue Zuordnung und Beschreibung der Exponate wurden von ihm und Wilhelm von Bode, zwei der bedeutendsten Kunst historiker ihrer Zeit, verfasst. In den Katalogen jener Jahre wurden nur wenige Exponate bild- lich dargestellt – das Ebenholzkabinett jedoch wurde auf Tafel 43 abgebildet, was auf seine besondere Bedeutung und Wertschätzung hinweist.
Der Käufer des Kabinetts war der Berliner Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Wilhelm Brunck (1878–1944), der es für seine Wohnung am Savignyplatz erwarb. Im Jahr 1928, als Dr. Brunck seinen 50. Geburtstag feierte, konnte er sich als etablierter Arzt den Traum einer großbürgerlichen Wohnungseinrichtung erfüllen. Bereits im April desselben Jahres hatte er bei dem Berliner Kunstauktionshaus Leo Grünpeter drei Hallenschränke und einen Barockschreibsekretär mit fürstlicher Provenienz erworben. Zusammen mit dem Ebenholzkabinett prägten diese Möbelstücke den Einrichtungsstil seiner Wohnung am Savignyplatz maßgeblich. In der Einrichtung spiegelte sich der großbürgerliche Geschmack des aufstrebenden Berlins wider, das sich in diesen Jahren zur Weltstadt entwickelte.
Nach der Auflösung dieses Hausstands, wird das Ebenholzkabinett nun als Teil einer neuen Auktion präsentiert. Es ist ein beeindruckendes Zeugnis vergangener Kulturgeschichte und ein herausragendes Beispiel für den anspruchsvollen Geschmack und die Sammel- leidenschaft des Berliner Bürgertums in den 1920er Jahren.