Der junge Spik wählte eine gute Adresse, denn die Motzstraße gehörte zur damaligen Zeit zu einem stadtbekannten Zentrum für Antiquitäten nahe des Wittenbergplatzes, doch die politische Lage im Land machte seine Anfänge alles andere als einfach. Die erst vier Monate alte Weimarer Republik war fragil, die Nachwirkungen des verlorenen Krieges waren noch überall zu spüren. So waren politische Wirren und Kämpfe an der Tagesordnung und der stetig abnehmende Wert der Reichsmark belastete die gesamte Gesellschaft.
Darüber hinaus war es für den Kunsthandel eine besonders kritische Zeit, denn neue Gesetze schnürten ihm die Luft ab: Seit kurzem musste eine Luxussteuer von 15 Prozent entrichtet werden und nur eine Woche vor Eröffnung von Spiks Geschäft bestimmte der Gesetzgeber, dass die Ausfuhr von Kunst eingeschränkt werden sollte. Somit durfte national wertvolles Kulturgut nur noch mit Genehmigung des Staates ins Ausland verkauft werden.
Der frischgebackene Unternehmer ließ sich davon jedoch nicht entmutigen, sondern blieb umtriebig. Auf einer großen Asiatika-Auktion beim damals bedeutenden Auktionshaus Rudolph Lepke lernte er den Reiz der ostasiatischen Kunst kennen und erweiterte entsprechend sein Angebot. Dank seines kunsthändlerischen Erfolgs war es ihm zudem möglich, nach nur zwei Jahren seine Verkaufsräume zu vergrößern und in die Nettelbeckstraße 17 umzuziehen.
Die „Alte u. neue Kunst“, wie eine Werbung auf der Schaufensterscheibe des Ladens verriet, umfasste das vielfältige und reiche Angebot, das Spik auch ein Jahrhundert später noch anbietet: Neben Malerei und Graphik auch Kunstgewerbe, Porzellan, Möbel, Uhren, Schmuck, Teppiche und vieles mehr.
Ab 1929 war Leo Spik für das Kunstauktionshaus „Continental“ tätig. 1933 wurde er stiller Teilhaber im Versteigerungshaus „Union“, das er ein Jahr später übernahm. Sitz der Firma war eine schöne spätklassizistische Villa in der Tiergartenstraße 6, einer repräsentativen Adresse.
Unter den Nationalsozialisten musste Spiks jüdischer Geschäftspartner aus Deutschland emigrieren. Leo Spik wählte einen anderen Weg: Die Mitgliedschaft in der NSDAP und später in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und dem Reichsluftschutzbund ermöglichten es ihm, weiterhin zu versteigern, wobei er auch zahlreiche Auktionen „im Auftrag einer Behörde“, wie es in Anzeigen genannt wurde, durchführte. Somit war er auch in den Handel mit dem Besitz von jüdischen Familien und anderen verfolgten Mitbürgern, die fliehen mussten oder deportiert wurden, involviert.
Die Tiergartenvilla musste Spik im Jahre 1939 „infolge Abrisses im Rahmen der Neugestaltung Berlins“ aufgeben, wie er in seiner Anmeldung der neuen Adresse beim Amtsgericht schrieb. In der Rankestraße 5 führte er den Geschäftsbetrieb dann bis ins Jahr 1944 fort. Auch die vollständige Zerstörung der Geschäftsräume und Unterlagen durch Bombenangriffe im März ‘44 konnte ihn nicht hindern, weiter tätig zu sein. „Illustrierter Katalog ist anzufordern, da Adressen nicht mehr vorhanden“ wurde im Juni ‘44 inseriert. Der Handelsregisterauszug vom Amtsgericht wurde daraufhin neu angefordert und der Betrieb drei Hausnummern weiter mit der „vorläufigen Neuanschrift“ Rankestraße 2 fortgesetzt. Im inzwischen verfügbaren Archiv der Zeitschrift „Weltkunst“ findet sich noch eine Ergebnisliste vom 12. September 1944. Das Kriegsende, einige Monate russische Kriegsgefangenschaft und die im März 1946 beantragte Entnazifizierung resultierten dann in einer Zwangspause.
Unter den Bedingungen der Nachkriegsordnung, mit einer in Sektoren unterteilten Stadt und Siegermächten, die sich als westlicher und sowjetischer Block schon bald nach Kriegsende feindlich gegenüberstanden und einen neuen Krieg befürchten ließen, war auch dieser Start für die Firma kein einfacher. Die politischen Spannungen und der Transitverkehr, durch den alle Waren nur mit Warenbegleitschein ausgeführt werden durften, stellten einen Unsicherheitsfaktor dar, der Einlieferer und Käufer teils abschreckte. Doch auch wenn Berlin nicht an seine Bedeutung in der Kunstwelt vor 1933 anknüpfen konnte, war das Auktionshaus Leo Spik bald wieder eine Adresse für Kunst und Antiquitäten ersten Ranges.
Um den Schwierigkeiten in Berlin zu begegnen, beschloss Leo Spik im Jahr 1955 einmal jährlich eine Auktion im Kurkasino von Bad Kissingen abzuhalten – ein Schritt, der sich als erfolgreich herausstellen sollte. Im noblen Kurort erschienen zahlreiche Kunstliebhaber zu den Auktionen, Museen kamen, um ihre Bestände aufzufüllen, und Privatsammler wurden auf der Suche nach Kunstschätzen bei Leo Spik fündig, darunter auch Georg Schäfer aus Schweinfurt, der seine Sammlung maßgeblich durch das Spik-Angebot aufbauen konnte.
Ein ganz besonderes Ereignis dieser Zeit, angefangen im Jahr 1956, war die Versteigerung des Nachlasses von Karl Rosner, dem bedeutenden österreichischen Schriftsteller und Journalisten, der lange Jahre in Berlin lebte und sich neben der Literatur seiner Sammelleidenschaft widmete. Sein Nachlass umfasste unter anderem Höhepunkte italienischer Renaissance-Bronzekunst des 15. und 16. Jahrhunderts, mit Namen wie Jacopo Sansovino, Andrea Riccio, Giovanni Bologna, Alessandro Vittoria und Niccolò Roccatagliata. Alle Objekte wurden zu 100 Prozent und zu für diese Zeit exzellenten Preisen verkauft – und untermauerten so das Renommee der Firma. Und vier Jahre später, bei der Auktion Nummer 431 im Jahr 1960, zierte zum ersten Mal der rote Umschlag den Auktionskatalog, eine Tradition, die sich bis in unsere Tage, ein halbes Jahrhundert später, gehalten hat.
Abseits des Auktionsbetriebs war Leo Spik bemüht, Künstler zu fördern und zu mehr Bekanntheit zu verhelfen. So unterstützte er nicht nur den „Hauskünstler“ Lucien Adrion, einen elsässischen Landschafts- und Stilllebenmaler, sondern auch Berliner Maler wie Peter Götz Pallmann, Walter Leistikow und Karl Hofer – Namen, die in der Folge immer wieder den Weg in die Auktionen fanden, zusammen mit Künstlern des 19. Jahrhunderts wie zum Beispiel Andreas und Oswald Achenbach, die zahllose Versteigerungen im Alphabet eröffneten.
Obwohl die Dependance in Bad Kissingen den Handel insgesamt vereinfachte, schlug sich die politische Lage in Berlin weiterhin auf die geschäftliche Situation nieder. Berlin stand Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre immer wieder im Zentrum der weltpolitischen Bühne: 1958 kündigte Nikita Chruschtschow das Viermächteabkommen auf und stellte das Berlin-Ultimatum. Die Stadt wurde einmal mehr zum Spielball des Kalten Krieges, der in diesen Jahren zu einem heißen zu werden drohte. Diese Krise gipfelte im Bau der Mauer im August 1961 und in der Konfrontation russischer und US-amerikanischer Panzer entlang der Grenze, besonders am Checkpoint Charlie.
Die politische Situation ging an der Berliner Firma, die besonders vom Warenverkehr und der überregionalen und internationalen Kundschaft abhängig war, natürlich nicht spurlos vorbei, doch das eingeschworene Team Spik-Beder hielt am Standort Berlin fest.
Bis in diese Zeit lag die Katalogarbeit in den Händen von Ruth Beder und Erik Berger. Dies änderte sich entsprechend den Anforderungen der neuen Zeit und so wurde die Betreuung der verschiedenen Rubriken teilweise an neue Mitarbeiter übergeben.
Mitte der 60er Jahre waren die Auktionen in Berlin in ihrem Erfolg konstant, sodass, bedingt durch den sich verschlechternden Gesundheitszustand Leo Spiks, ein neuer Umzug ins Auge gefasst wurde, diesmal jedoch in die unmittelbare Nachbarschaft. Die letzte Versteigerung in den Geschäftsräumen am Kurfürstendamm 48/49, die seit 1948 existierten, war Nummer 461, im Oktober 1967. Im Jahr darauf wurde dann der Laden am Kurfürstendamm 66 mit Auktion 462 im April 1968 eröffnet, jenen Räumen, in denen nun auch die Auktion zum 100. Jubiläum stattfindet, ganze 51 Jahre später.
Das Jahr 1968 hielt jedoch noch eine weitere – traurige – Veränderung für die Firma bereit. Der Firmengründer Leo Spik verstarb kurz vor der September-Auktion mit 74 Jahren. Seiner Nichte Ruth Beder fiel als Firmen-Erbin die Verantwortung zu, nachdem sie sich den Auktionsablauf schon längere Zeit mit Leo Spik geteilt hatte, zum ersten Mal und kurz nach dem Trauerfall, die Herbst-Auktion ganz allein zu leiten. Doch mit Entschlossenheit, Können und Erfahrung hielt Ruth Beder diese Auktion mit Bravour ab, wie auch in den vielen Jahrzehnten, die folgen sollten, in denen ihr handfester Berliner Humor immer wieder für Gelächter und Entspannung im Auktionssaal sorgte. Allen Widerständen zum Trotz schaffte sie es, Qualität, Umfang und Erfolg der Auktionen zu steigern, insbesondere in den Sparten Porzellan, Silber, Dosen und Schmuck. Doch auch im Gemäldesegment gab es erfreuliche Erfolge, so erzielte im Dezember 1968 ein Gemälde von Lesser Ury, „Unter den Linden nach dem Regen“, zum ersten Mal einen hohen Preis, 45.000 DM.
In den 70er Jahren begann die Firma Leo Spik auch mehr und mehr zu einem stadtbekannten Treffpunkt zu werden, an dem es vor allem an Samstagvormittagen hieß: sehen und gesehen werden. Zahlreiche Berühmtheiten kamen auf ein Glas Sekt und einen Plausch, darunter die Bürgermeister Heinrich Albertz und Klaus Schütz, Heribert Werhahn von der Meierei Bolle oder der Synchronproduzent und -sprecher Karlheinz Brunnemann, der zu dieser Zeit riesige Fernseherfolge mit der Serie „Die 2“ feierte, in der er zusammen mit Rainer Brandt die Stars Tony Curtis und Roger Moore schnoddrige Sprüche klopfen ließ.
Der Antiquitätenboom hielt bis in die 80er Jahre hinein an, mit einer wachsenden Sammlerkultur, etwa für das klassische Kunstgewerbe, die Gemälde des 19. Jahrhunderts und die klassische Moderne. Einige Käufer fuhren gleich mit einem Laster vor und luden die Objekte unmittelbar nach dem Kauf ein. Aber auch Einlieferer fielen durch untypische Gefährte auf. So wurden der Firma Leo Spik über Jahre immer wieder schöne Stücke mit dem Pferde-Anhänger geliefert, darunter auch wertvolles KPM-Porzellan, wie zum Beispiel botanische Teller für ein Service für Joséphine de Beauharnais, der ersten Frau Napoleon Bonapartes. Wenn es auf dem Ku‘damm also wieherte, gab es zwar viel Arbeit für das Spik-Team, doch waren immer zuverlässig schöne Objekte dabei.
In der Sektion alter und neuer Gemälde konnte sich die Firma Leo Spik in dieser Zeit über große Erfolge freuen: 1991 wurde das Gemälde „Streitende Soldaten“ von Johann Heinrich Schönfeld mit einer verelffachten Taxe von 340.000 DM zugeschlagen. Bei dem Werk handelte es sich um ein Pendant zu einem Gemälde, das sich im Besitz des Fürsten von Liechtenstein befand. Den Zuschlag erhielt jedoch ein US-amerikanischer Käufer – ein Umweg, über den das Werk letztendlich doch in den Besitz des Fürsten gelangte und heute im Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz hängt.
Großes Interesse herrschte auch für die Werke des Malers Max Liebermann, der bei Leo Spik seit Jahrzehnten in den Versteigerungen vertreten war. So wurde in der Auktion 561, im Juni 1992, mit dem Gemälde „Große Seestraße in Wannsee“ zum ersten Mal ein Zuschlag von 150.000 DM erreicht, und zwei Jahre später, in der Weihnachtsauktion 1994, kam sein „Blühender Wannseegarten“ auf stolze 390.000 DM.
Doch nicht nur bei den Gemälden konnte man besonderen Stücken zu Aufmerksamkeit verhelfen. Eine Berliner Ansichtenvase etwa erzielte im März 1996 den beachtlichen Preis von 80.000 DM.
Auch wenn sich im Laufe der 90er Jahre die Situation für Kunst und Antiquitäten veränderte, konnte Spik weiterhin mit einem konstant breiten Angebot und schönen Stücken überzeugen.
Am Auktionspult selbst kündigte sich nach der Jahrtausendwende langsam ein Wechsel an. Ab 2001 wurde Ruth Beder, die seit 1968 unermüdlich und souverän als Auktionatorin und Gesicht der Firma gewirkt hatte, von Christian Arndt unterstützt. 2008 übernahm er die Position in Gänze und füllte sie mit Charme und sicherem Gespür bis März 2017 aus. Im Jahr 2009 zog sich Ruth Beder aus der Leitung der Firma zurück und übergab sie in die Hände ihrer Tochter Susanna Beder, deren Engagement und Entschlossenheit es zu verdanken ist, Spik als unabhängiges Familienunternehmen bis zum 100-jährigen Jubiläum geführt zu haben.
Ein besonderer Höhepunkt in der Firmengeschichte war die Nachlassversteigerung des Schriftstellers und Kunstsammlers Hermann Sudermann. Die jahrelange Arbeit, mit der sich Christian Arndt um diese reichhaltige Sammlung bemüht hatte, zahlte sich mit dem großen Erfolg der Sudermann-Auktion im Dezember 2005 aus. Der Ansturm war so groß, dass teils nur drei Objekte in der Stunde versteigert werden konnten. Unter den zahlreichen besonderen Stücken sind etwa die „Hirschhatz“ von Roelant Savery hervorzuheben, oder das „Prunkstillleben“ von Gaspar Pieter Verbruggen, bei dem 25 Telefonbieter und großes Interesse im Saal eine logistische und nervliche Herausforderung für das Spik-Team darstellten.
Mit der Eintrübung der Weltwirtschaft durch die Lehman-Brothers-Pleite und die darauffolgende Finanzkrise brachen im Herbst 2008 dann härtere Zeiten für den Kunsthandel an. Umso mehr konnte sich die Firma Spik über ein besonderes Werk des Malers Max Beckmann freuen, das in jenem Jahr einen sehr guten Preis erzielte. Das Gemälde „Chrysanthemen“ von 1913, das im Werksverzeichnis mit „Verbleib unbekannt“ aufgeführt war, war der Firma schon zu Anfang der 90er Jahre bekannt und als echter Beckmann in der Literatur bestätigt. Mit dem Zuschlag von 135.000 € konnte ein Kontrapunkt zur sich verdüsternden Wirtschaftslage gesetzt werden.
Diese besondere Prägung der Firma ist es auch, die die Kundschaft seit Jahrzehnten zu schätzen weiß, verbunden mit Loyalität und Integrität in Bezug auf Geschäftliches, Zwischenmenschliches und dem internen Zusammenhalt, der den Kurfürstendamm 66 zu einem der Orte macht, wie es sie heutzutage nicht mehr oft gibt.
Indem das Spik-Team dieser Einzigartigkeit treu bleibt, schlägt es den Bogen zu den Anfängen vor einem Jahrhundert, als der junge Unternehmer Leo Spik sein Geschäft im vorweihnachtlichen Berlin eröffnete – und indem es seine Tradition in die Zukunft fortführt, macht es das Jubiläum auch zu einem Anlass, sich auf viele weitere Jahre zu freuen.